Rückblich Exkursion Osterzgebirge 15.07.2023
Exkursion in das Osterzgebirge am 15.07.2023
Die Exkursion unter Leitung des Verfassers führte in das kleine Gebiet um Rechenberg, Neuhausen und Sayda, das in der Zeit der hohen Kolonisation um 1200 unter böhmischer Führung erschlossen worden war. Es schiebt sich wie ein Keil zwischen die großen Herrschaftsbereiche des Reichslandes Pleißen im Westen und die wettinischen Territorien im Norden und Osten. Initiator der Kolonisation war hier das nordböhmische Adelsgeschlecht der Hrabišice, welches sich ab der Mitte des 13. Jh.s nach der Riesenburg (Rýzmburk) am Südfuß des Erzgebirges nannte.
Treffpunkt war der Marktplatz in Frauenstein, wo zunächst ein Überblick über Beginn und Trägerschaft der Besiedelung des Erzgebirges gegeben wurde: Nach 1150 drangen von den Altsiedellanden um Altenburg und Leisnig sowie von Dohna aus reichsländische oder reichsnahe Herrschaftsträger, und von Rochlitz und Meißen aus die Wettiner in das Gebirge vor. Die Burg Frauenstein war hier die wettinische Grenzburg zum Königreich Böhmen. Um 1200 schlossen die Hrabišice, die sich um Most, Bilina und Osek eine beachtliche Herrschaft aufgebaut hatten und im 12. und 13. Jh. zur Spitze des böhmischen Adels gehörten, die noch siedlungsfreie Lücke um die Oberläufe von Flöha und Freiberger Mulde. Die von Most ausgehende Fernstraße nach Leisnig, der östlichste der sog. „Böhmischen Steige“, bildete die Leitlinie ihres Siedlungszuges.
Nur wenige Kilometer südlich von Frauenstein erreichten wir in Nassau das Kolonisationsgebiet der Hrabišice und schließlich Rechenberg mit der heute „Schanze“ genannten Burg. Sie war der Mittelpunkt der Herrschaft Rechenberg, deren Name und der des Ortes sich auf das Wappensymbol des Geschlechts, den Heurechen (tschech. hrab?), bezieht. Die Burg befindet sich auf einem Felssporn über der Freiberger Mulde. Das Kernwerk von 60 m Durchmesser wird halbkreisförmig von teilweise zwei Gräben umschlossen, die steilhängige und felsige Süd-(Tal-)Seite ist offen. Von einer Bebauung fehlen alle Spuren, möglicherweise bestand die Anlage aus Holz- und Fachwerkbauten. Der „Schanze“ vorgelagert ist ein Felsstock mit den Grundmauern eines Gebäudes, das nach zwei historischen Zeichnungen ein Wohnturm war. Hier haben wir vielleicht den Sitz jenes Apetz de Rechenberc vor uns, der 1270 als Angehöriger einer reichsländischen Familie auf Rechenberg erscheint und die kurzzeitige Anbindung Rechenbergs an das Pleißenland bezeugt. Seit Mitte des 14. Jh.s als markmeißnisches Lehen wieder in Händen der Hrabišice, festigte sich Ende dieses Jahrhunderts der wettinische Besitz der Burg dauerhaft. 1586 vernichtete sie ein Brand.
Von Rechenberg ging es dann in die zweite Rodeherrschaft der Hrabišice Sayda-Purschenstein. Der Weg führte durch ein landschaftlich reizvolles Gebiet, vorbei an der Talsperre Rauschenbach und dem Dorf Cämmerswalde, dessen Name wieder Bezug auf das siedelführende böhmische Geschlecht nimmt, welches erblich das Kämmerer-Amt am Prager Hof innehatte. - Im heutigen Neuhausen befindet sich auf einem gestreckten Talsporn mit Schloss Purschenstein der Nachfolgebau des einstigen Herrschaftsmittelpunktes, der erstmals 1289 als castrum Borsensteyn urkundlich erscheint und mit diesem Namen – „Burg des Borso“ – den Leitvornamen der Hrabišice reflektiert. Die tschechische Forschung nimmt als Initiator für den Bau Borso II. an, der in Urkunden zwischen 1231 und 1278 erscheint. Er war auch Bauherr der Riesenburg (Rýzmburk), nach der er sich nannte (1250 Borso de Rysenburch). Purschenstein erreicht zwar nicht deren Maße (226 x 95 m, fünf Höfe, vier Türme und fünf Tore), war aber, gegliedert in drei hintereinander angeordnete und jeweils durch eine markante Abstufung getrennte Kerne, mit 170 x 50 m immer noch beachtlich groß. Offen ist die Interpretation einiger archäologischer Funde, die die Nutzung des Burgstandortes von um 1200 an belegen. – Burg und Herrschaft gelangten 1253 als Erwerbung Markgraf Heinrichs (des Erlauchten) an die Mark Meißen und zwischen 1299 und 1307 nochmals an Böhmen. Danach in den Händen verschiedener markmeißnischer Lehensträger, war Purschenstein von 1353-1945 im Besitz der Herren von Schönberg, ein über die Mark Meißen verbreitetes, reich begütertes und in hohe Staatsämter und geistliche Würden aufgestiegenes Geschlecht. Es war in der Folgezeit die Bauherrschaft des Schlosses, dessen Westflügel im Renaissancestil um 1550, die Kapelle mit hohen schmalen Fenstern von 1776-1789 im Stil des Barocks entstanden. Dominante ist der 42 m hohe schlanke Rundturm mit Kegeldach und neogotischen Stehgaupen. Heute dient das Schloss als Hotel.
Nach der Mittagspause auf dem „Schwartenberg“ (789 m üHN) wurde Sayda als das städtische und wirtschaftliche Zentrum der Herrschaft Sayda-Purschenstein aufgesucht. Seine Entwicklung beförderte der Fernweg von Most nach Leisnig, der die Stadt von Ost nach West durchzog, in der Stadtmitte einen Straßenmarkt bildete und sie in den Fernhandel einband. Bereits 1207 werden dem 1193 gegründeten Hauskloster der Hrabišice in Osek Einkünfte in Sayda und umliegender Dörfer durch den Papst bestätigt. Das sog. Meilenblatt aus der Zeit um 1800 zeigt den ovalen Stadtgrundriss mit einer Ausdehnung von etwa 410 x 440 m mit dem umschließenden Wall-Graben-System, das als reines Erdwerk angelegt war. Am westlichen Ende der Stadt (auf dem nicht genordeten Meilenblatt oben) befindet sich eine fast bis zur Unkenntlichkeit verschliffene Burgstelle, die Sitz der Herren von Sayda war. Die nicht bebaute Fläche im Südteil der Stadt, bis heute nur locker mit Häusern besetzt, findet in „Schumanns vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon Bd. 8, Zwickau 1823“ eine mögliche Erklärung: „Am 31. März 1465 brannte fast die ganze Stadt ab, und weil man den Juden die Schuld beimaaß, so wurde die Judenstadt nicht wieder aufgebaut.“ Des Weiteren werden ein Friedhof und ein „Judenborn“ erwähnt. Als realen Kern kann man dieser chronikalischen Quelle wohl entnehmen, dass die von einer Fernstraße durchzogene Stadt mit einem Markt ein jüdisches Stadtquartier besaß, in dem vermutlich Fernhändler wohnten. – Im Zusammenhang mit der Erwerbung der Herrschaft durch Markgraf Heinrich (den Erlauchten) 1253 traten die Herren von Sayda in die wettinische Dienstmannschaft über und wurden später nach Frauenstein versetzt.
Bei unserem Rundgang durch die Stadt wurde noch ein Stopp an einer Grabungsstelle des Landesamtes für Archäologie von 1995 eingelegt, wo ein Haus aus der Frühzeit Saydas angetroffen worden war. Das Fundmaterial wurde als Zeichnung präsentiert.
Dipl. phil. Volkmar Geupel
Bei über 30 °C im Schatten war dieser Tag für alle eine Herausforderung und die 23 begeisterten Teilnehmer bedankten sich bei Herrn Volkmar Geupel und seiner Frau recht herzlich für die in jeder Hinsicht hervorragende Führung.
H.-G. Knorr
Rechenberg: Graben und Außenwall. Foto: Volkmar Geupel
Neuhausen: Schloss Purschenstein. Foto: Volkmar Geupel