Rückblick Exkursion herrschaftliche Bauernhäuser 22.04.2023
Tagesfahrt zu herrschaftlichen Bauernhäusern am 22. April 2023
Normalerweise sind Burgen, Schlösser und Herrenhäuser Exkursionsziele, diesmal widmete sich die Landesgruppe Nord aber den Bauten derer, die wesentlich zum Bereitstellen der finanziellen Mittel für herrschaftliche adlige Gebäude sorgten, den Bauern. Wobei es diese Bauernhäuser teilweise in Größe und Ausstattung mit Herrenhäusern aufnehmen konnten.
Die von unseren Vorstandsmitgliedern Römling und Deuer hervorragend organisierte Fahrt führte bei herrlichem Frühlingswetter an die Schleswig-Holsteinische Westküste. Charakteristisch für diesen Landesteil waren eine im Mittelalter nur schwach ausgeprägte Landesherrschaft und die ständige Gefährdung durch Sturmfluten. So mußte der sehr fruchtbare Marschenboden einerseits durch Deichbauten gesichert werden, andererseits wurde versucht, durch das Anlegen von Kögen dem Meer verlorengegangenes oder neues Land abzuringen. Spezialisten für diese Aufgaben waren Siedler aus dem westfriesischen und holländischen Raum, die auch Ende des 16.Jhdts. die beiden Haustypen mitbrachten, deren Besonderheiten wir kennenlernen wollten: das Barghus in der Wilstermarsch und den Haubarg auf der Halbinsel Eiderstedt.
Erstes Ziel war die Wilstermarsch am Nordufer der Elbe. Hier hat das Ehepaar Luthe unter fachkundiger Begleitung der Architektin und Bauforscherin Frau Scheer seit den 90iger Jahren ein Barghus mit großem persönlichen Einsatz restauriert und aus einer Ruine ein Schmuckstück geschaffen. Diese Engagement wurde liebenswert deutlich, als uns die Drei anschaulich die Struktur eines Barghus erläuterten. Dieser kompakte Haustyp ist auf Milchwirtschaft und Käseherstellung ausgerichtet, da die Wilstermarsch für den Getreideanbau weitgehend ungeeignet war. Die Namensgebung ist vom zentralen Barg abgeleitet; Wohnräume, Längsdiele und Viehställe reihen sich um das tragende Barggerüst.
Leider drängte die Zeit etwas und so ging die Fahrt weiter zur Halbinsel Eiderstedt, wo wir mit unserm nächsten sehr kompetenten Begleiter zusammentrafen, Herrn H.-G. Hostrup, dem Vorsitzenden der IG Baupflege Nordfriesland und Dithmarchen e.V., der uns den Besuch einiger "privater" Haubarge ermöglichte.
Er führte uns zunächst zur Großwarft Stufhusen mit einem Haubarg von 1800. Dieser Haustyp erfüllte in den ertragreichen Kögen die erhöhten Anforderungen an Bergeraum für reiche Getreideernten. Das ungedroschene Getreide lagerte vom Boden bis zum First in einem hohen Stapel im Vierkant, in einer "Bucht". Diese intelligente, holzsparende Ständerkonstruktion überspannt einen bis zu 17 Meter hohen Raum unter einem mächtigen Dach. Über den seitlich liegenden Ställen und dem Wohnbereich wurde das Viehfutter und das gedroschene Getreide gelagert. Bewunderung rief bei uns die logistische Leistung hervor, so mächtige Balkenständer von weither in die meist baumlosen Köge zu transportieren.
Barghus Kating
Vertieft wurden unsere Eindrücke durch den folgenden Besuch zweier Haubarge in Treenedamm und Tating, deren Besitzer, die Herren H.Hinrichsen und H. Mommsen, uns durchaus auch deutlich machten, mit welchem materiellen Einsatz sie sich in bewundernswerter Weise um den Erhalt ihrer historischen Bauwerke kümmern. Die Haubarge weisen ja eine Unmenge heute ungenutzten Raumes auf, der unterhalten werden muß, man denke nur an die gewaltigen reetgedeckten Dächer.... . So ergab sich für die Mitreisenden der Vergleich etwa zu den vielen Herrenhäusern in Mecklenburg oder den Hallenhäusern in Görlitz, die wir schon besucht haben.
Landesgruppe Nord vor Barghus Treenedamm
Der letzte besuchte Haubarg beherbergt eine Lösung des Problems. Neben einem Restaurant und einer Galerie barg er einen Ausstellungsraum zur Geschichte des Herrenhauses Hoyerswort. Nach einer Kaffeetafel im Kaminzimmer führte uns der Hausherr, der Keramiker Herr Jody, durch den im 16.Jhdt. errichteten Renaissancebau. Namensgeber war Caspar Hoyer, dem Herzog Adolph von Gottorf 1564 das Anwesen schenkte. Hoyer war dann von 1578 - 1594 Staller, d.h. der Vertreter des Herzogs auf Eiderstedt.
Herrenhaus Hoyerswort
Nutzung Haubarg Hoyerwort
So endete eine sehr interessante Fahrt, die uns einmal etwas abseits der normalen Besichtigungsobjekte führte und mit Menschen zusammenbrachte, die sich mit annerkennenswertem Engagement, Herzblut und Fachwissen dem Erhalt und der Belebung dieser historischen Bauwerke verschrieben haben.
Bericht und Fotos: Detlev Blohm